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„Ich kann doch nicht….

einfach kündigen. In meinem Alter finde ich doch nichts mehr und außerdem habe ich die letzten 25 Jahre immer Top Leistung abgeliefert, dann sollen sie mir doch kündigen“.

Diesen Satz habe ich in meiner langjährigen Coaching Praxis sehr häufig gehört, aber nicht so oft, wie in den letzten Monaten. Das Gefühl auf der sog. Abschussliste zu stehen, mündet in Unsicherheit und Angst. Meistens erfahren es die Betroffenen aus der Presse:  „ hat den Abbau von über 600 Mitarbeitern am Standort … bekannt gegeben. “

Je nach Persönlichkeitsstruktur hängen sich die einen dann so richtig ins Zeug und wollen beweisen, dass sie unabkömmlich sind (Stressfalle), andere hingegen machen „Dienst nach Vorschrift“ und warten was passiert. Und die sog. Top-Leistungsträger, die eigentlich laut Aussagen der Unternehmenssprecher auf jeden Fall gehalten werden sollen, suchen sich trotzdem ein anderes Umfeld, weil das Vertrauen in die neue Strategie nicht ausreicht.

In der internen vertraulichen Mitteilung, die nur an die Top Führungskräfte der betroffenen Unternehmen geht, klingt das dann in etwa so:

„Geschätzte Führungskräfte, wie Sie wissen, sind wir gezwungen, unser Business Modell anzupassen und müssen daher unsere Organisation verschlanken. Leider werden wir nicht alle MitarbeiterInnen mit in die Zukunft nehmen können und werden gemeinsam mit Ihnen jeden Einzelfall prüfen.“

Dass sich teilweise Geschäftsmodelle überholen und daher angepasst werden müssen, ist verständlich, aber muss das wirklich in einer Lose-Lose Situation enden?

Lose-Lose bedeutet, dass die vertrauliche Information sofort in der ganzen Unternehmung ist, und der Teil der Mitarbeiter, der am Arbeitsmarkt schnell Ersatz findet, kündigen wird. Die sog. Leistungsträger verlassen das sinkende Schiff und tragen dazu bei, dass es wirklich sinkt, denn was kann denn noch von einer verängstigten und verunsicherten restlichen Mannschaft erwartet werden?

Eine frühzeitige klare Ankündigung, wohin die Reise geht und wer noch an Bord bleiben kann ist also unausweichlich!

Doch wie gelingt es, eine hohe Leistungsbereitschaft von denen zu erhalten, die zukünftig nicht mehr Bestandteil der Organisation sein werden?

Mit einem breit angelegten Outplacement Programm. So wissen die Betroffenen, dass sie für ihr Bleiben entsprechend entlohnt werden und dass Ihnen geholfen wird, in Ruhe eine passende neue Stelle bzw. Tätigkeit zu finden.

Soweit die Theorie. 

In der Praxis scheuen sich viele Unternehmen vor offener Kommunikation und nehmen somit billigend in Kauf, dass sich durch verunsicherte und enttäuschte Mitarbeiter die Stimmung weiter verschlechtert und diese vor allem negativ über ihren „Noch- Arbeitgeber“ reden. Die Mitarbeiter auf der Abschussliste werden so lange behalten, bis die neue Organisation steht. Ist das fair?

Nein, sicherlich nicht und wundern darf man sich auch nicht, solange der Mitarbeiter als „Human Ressource“ betrachtet wird.

In meinem Verständnis von Leadership sollten sich Unternehmen als soziale Systeme verstehen, die der Verantwortung für die ihnen anvertrauten Menschen gerecht werden. Leader führen ihre Mitarbeiter nicht in Existenzangst und Frustration, sondern tragen dafür Sorge, dass sie (weiterhin) einen Platz in der Gesellschaft finden.

Und wenn diese Verantwortung – trotz aller vollmundiger Aussagen auf den Webseiten der jeweiligen Unternehmen – nicht wahrgenommen wird, dann bleibt dem Mitarbeiter auf der „Abschussliste“ immer noch der Weg, selbst zu kündigen. Und da höre ich sie wieder, die Aussage: „Ich kann doch nicht einfach kündigen.“

Aber können und dürfen die betroffenen Mitarbeiter so weiter machen? Wollen und sollen sie der Spielball einer neuen Strategie sein und warten, ob sie dann eventuell doch bleiben dürfen? Und wo bleibt deren Selbstwertgefühl? Am Ende müssen sie sich nach der Kündigung doch auch etwas Neues suchen, oder? Ist das Warten auf die Kündigung und die darauffolgende Absicherung durch die Arbeitslosenversicherung der bessere Weg?

Nein, aber warum riskieren Unternehmen den Reputationsverlust am Arbeitsmarkt, wenn sie doch so dringend neue Leistungsträger brauchen?

Ich lade alle aktuell betroffenen Arbeitnehmer und deren Führungskräfte ein, ihre Situation zu reflektieren und gemeinsam eine Win-Win Lösung anzustreben.

Das bedeutet, dass die betroffenen Mitarbeiter nicht bis zur Kündigung warten, sondern aktiv entweder ein glaubwürdiges Commitment oder ein Outplacement einfordern. Und für die Verantwortlichen der Unternehmen bedeutet es, in Opportunitätskosten zu denken und zu ermitteln, was sie der Reputationsverlust und die fehlende Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter mit einer Restlaufzeit von x-Monaten kosten wird.

Alles spricht somit für ein organisiertes Outplacement! Vielleicht ist das sogar die gängige Praxis und es spricht nur keiner darüber. Oder es sind nur meine Klienten, in deren Unternehmen keine gemeinsamen Wege gesucht werden…

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